Realsatire "Titanic"-Partei will Mauer wieder aufbauen
Hamburg - Endlich mal ein Populist, der dazu steht: Martin Sonneborn, Chefredakteur der Satirezeitschrift "Titanic", macht Ernst: Nachdem er und sein Team sich jahrzehntelang ironisch mit dem politischen Treiben in diesem Land auseinandergesetzt haben, wagen sie nun selbst den Gang in die Politik.
Am Donnerstag um 12 Uhr wollen Sonneborn und seine politischen Mitstreiter beim Bundeswahlleiter auf der Matte stehen und ihre neue Partei anmelden. Tausend Mitglieder wollen sie dann präsentieren. Schon jetzt sind es knapp 800, und das Faxgerät steht nicht still. Die Neugründung heißt schlicht und ergreifend Die Partei, was soviel heißt wie Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative. Über Tierschutz und Elitenförderung haben sich die Jungpolitiker zwar noch nicht allzu viele Gedanken gemacht, doch die Parteistrategen überlegten sich bereits etwas dazu, versichert Sonneborn gegenüber SPIEGEL ONLINE.
Bei den Landtagswahlen im Mai nächsten Jahres in Nordrhein-Westfalen will Die Partei zum ersten Mal antreten - und dann auch gleich Regierungsverantwortung übernehmen. Wie sie das schaffen will? "Mit populistischen Parolen", sagt der Parteichef ganz unverblümt. Er sieht daran nichts Ehrenrühriges. "In der Politik wird heutzutage geäußert, was Stimmen bringt, und das werden wir auch tun. Ich finde es schließlich besser, wenn wir die Stimmen bekommen als irgendwelche Rechtsradikale." Um an die Macht zu kommen, ist dem Spitzenkandidat jeder Koalitionspartner recht. "Mir ist egal, wer uns die Mehrheiten verschafft."
Arbeitsplätze durch den Mauerbau
"Wir stehen für vernünftige und sozial ausgewogene Ideen", sagt Sonneborn. "Aber um erstmal das Ziel zu erreichen, mit gesundem Menschenverstand Dinge umzusetzen, setzen wir auf extrem populistische und schmierige Mittel. Und das nach dem Vorbild sämtlicher Parteien."
So ganz wird nicht klar, worin das vernünftige und sozial ausgewogene Programm der Partei besteht. Zwar ist Die Partei gegen Agenda 2010, Hartz IV, V und VI und vertritt "schon eher linke Ideen", doch im Vordergrund steht ein anderes Anliegen: "Wir haben immer alles getan, um zu zeigen, dass wir nicht ein Volk sind", sagt Sonneborn. Und so fordert auch Die Partei: Die Mauer muss wieder her!
"Die endgültige Teilung Deutschlands, das ist unser Auftrag...", heißt es schon seit Jahren im Impressum der "Titanic". Nun wollen Sonneborn & Co. eine "bauliche Abtrennung" errichten, die einhergehen soll mit einer wirtschaftlichen Abtrennung. In eine Sonderbewirtschaftungszone, der SBZ, sollen sich die Ostdeutschen separat entwickeln können. Eine Unternehmung, die aus der Sicht der zu Satirepolitikern gewandelten Politsatiriker nur Vorteile hat: Milliardenzahlungen in den Osten fielen weg und würden die Konjunktur im Westen wieder ankurbeln, der Mauerbau würde Arbeitsplätze schaffen, und die Partei bekäme Stimmen.
Derzeit sucht Sonneborn einen Grundbesitzer im ehemaligen Grenzgebiet und eine Baufirma, die das Projekt unterstützen und die Mauer zumindest auf einem Teilstück schon einmal errichten. "Wir wollen Bilder haben", so der Parteichef, "mit denen wir uns dann auch in den ruinierten westdeutschen Randgebieten Stimmen erhoffen."
Sonneborn selbst will seine Partei nur bis zur Regierungsbeteiligung führen, sich dann aus dem aktiven Geschäft zurückziehen. "Ich habe meiner Redaktion versprochen, als wir beschlossen haben diese Partei zu gründen, dass ich nicht in die Politik gehe."
Die potenziellen Wähler seiner Partei hat Sonneborn genau vor Augen: "Ich glaube, dass es sich überwiegend um gebildete, intelligente, männliche Wähler mit Brille und Pickeln handelt."