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"Die Partei" in Hamburg: Mit Politsatire in den Wahlkampf

"Die Partei" hat in Hamburg ihren Wahlkampfauftakt für die Bürgerschaftswahl im Februar gefeiert. Das politische Spaßprojekt aus dem "Titanic"-Dunstkreis setzte dabei auf Promille-Propaganda, Lokalprominenz und gezügelte Beleidigungen. Ein Frontbericht.

Von Sebastian Christ

Politiker sind Opfer. Zumindest bei Martin Sonneborn. Mit dem Feingefühl eines Schlachters seziert der "Titanic"-Herausgeber ihre Schwächen, eher mit dem Hackebeil als mit dem Skalpell. Da wird Roland Koch zum "Hessen-Hitler", Angela Merkel zu "Kohls Tochter". Seit drei Jahren nun ist er selbst Politiker. Aber die Axt will er trotzdem nicht aus der Hand legen. Es gibt noch viel zu zerlegen, packen wir's an.

Erster Erfolg mit "Stoppt das Merkel"

Gestern Abend feierte "Die Partei" im Hamburger Szene-Club mit dem passenden Namen "Übel und Gefährlich" ihren Wahlkampfauftakt. Im Februar wird die neue Bürgerschaft in der Hansestadt gewählt, und Sonneborn ist Bundesvorsitzender der Anti-Parteienpartei neuen Typs. Schon bei der Bundestagswahl 2005 zog der mit seiner politsatirischen Trümmertruppe durch Berlin und Hamburg. Der Slogan: "Stoppt das Merkel". In Thüringen haben fleißige Parteiaktivisten, damals in Kooperation mit ahnungslosen Bauarbeitern, ein Stück Mauer symbolisch wieder aufgebaut. Jetzt hat es SPD-Spitzendkandidat Michael Naumann erwischt: "Alfred E. Naumann raus aus Hamburg", steht auf druckfrischen Wahlplakaten. Sonneborn grinst in sich hinein. "Soll er doch dagegen klagen, wir würden uns freuen."

Die spannendste Frage ist: Welche Aktionen hat sich Sonneborn für den Bürgerschaftswahlkampf ausgedacht? Sie blieb auf der zum Teil langatmigen Veranstaltung aus verständlichen Gründen unbeantwortet. Stattdessen wurden über eine Stunde lang alte Videos an die Wand geworfen. Hinterbänkler aus dem Bundestag, die sich beim gewollten Lockersein blamieren. Nun gut.

"Ich bin Vorsitzender einer kleinen, schmierigen Partei"

Lustig wurde es immer dann, wenn es um "Die Partei" selbst ging. "Ich bin Vorsitzender einer kleinen, schmierigen Partei, die aber einen seriösen Spitzenkandidaten hat", referierte Sonneborn in aller Ruhe. Auch die "Wahlkampflinie" mit weiteren Plakaten stellte er in vollendeter Scheinseriosität vor. "Naumann klaut", wird da etwa über ein Bild des SPD-Politikers getextet. Oder: "CDU-Wähler aufgepasst: Ole von Beust ist schwul." Der Soziologiestudent am Mittelgang lacht sich kringelig.

Politische Spaßprojekte haben in Hamburg durchaus Tradition. Vor vier Jahren erreichte die Partei von Promi-Transe Olivia Jones immerhin 0,5 Prozent der Stimmen. Und die Anarchistische Pogopartei Deutschlands (APPD) bei der Hamburger Bürgerschaftswahl 1997 im Stadtteil St. Pauli sogar 5,4 Prozent. Damit war die APPD hinter SPD, CDU und den Grünen viertstärkste Kraft im berühmtesten Rotlichtbezirk Deutschlands - aber auch nur hier. Ihre Wahlwerbespots erreichten unter Jugendlichen Kultstatus: "Arbeit ist asozial", krähte da etwa eine versoffene, marihuanaraue Stimme ins Mikrofon.

Spaßprojekte haben Tradition

Die erklärte Punker- und Pennerpartei versuchte damals noch, ihr Wahlprogramm mit einer, na ja, Ideologie zu umweben. Die Vordenker der APPD nannten es "Pogo-Anarchismus", ihr Slogan hieß "Frieden, Freiheit, Abenteuer". Deutschland sollte in Zonen für Arbeitswillige und -unwillige aufgeteilt werden, die "Rückverdummung" vorangetrieben werden. Und die Wahlkampfkostenrückerstattung, so es denn jemals Staatsknete geben sollte, möchten die Spitzenfunktionäre anlässlich einer großen, lauten und garantiert antibürgerlichen Party in harten Alkohol umsetzen.

Die "Partei" macht es konsequenter. Sie pfeift auf Ideologie und säuft sich schon im Vorwahlkampf warm. Spitzenkandidat Heinz Strunk, 45, blau, tritt auf die Bühne. Im vorpolitischen Leben war Strunk vor allem im norddeutschen Raum ein ziemlich erfolgreicher Comedian und Autor, dessen Buch "Fleisch ist mein Gemüse" beste Kritiken bekam. Jetzt steht er zur Wahl, vielleicht auch nicht, und setzt mit Nachdruck auf Promillepropaganda. Seine Rede liest er komplett ab, sie ist der eigentliche humoristische Höhepunkt des Abends.

"Sehen Hamburgs Zukunft nicht im Bergbau"

Er kichert und prustet, Zischlaute kämpft er in Rambomanier aus dem Weg: "Ich werde mich mit jedem gegnerischen Politiker, den Vertretern des Schweinesystems, an einen Tisch setzen", sagt er. Prost. Er nennt Ole von Beust einen "Politclown" und Michael Naumann "senil". Beide zusammen sind für ihn "saturierte Obermuftis". Santé. Weil er das Rauchen für "einfach geil" hält, sind Nichtraucher im Umkehrschluss "lebensfeindlich". Aber, einer geht noch: Strunks Vision für die Wirtschaftspolitik - "Wir sehen Hamburgs Zukunft nicht im Bergbau". Darauf noch ein Pils.

Und die Moral von der Geschichte? Über Politiker muss man manchmal einfach lachen. Können. Müssen.

  • Sebastian Christ