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Anarchisten, Piraten und andere Spaßparteien

| Lesedauer: 4 Minuten
Seltsame Programme und überschäumender Optimismus: Die Splitterparteien suchen ihr Glück bei der Bürgerschaftswahl im Hamburg. Insgesamt acht Splitterparteien werden am 24. Februar antreten. So fordert die die Pogo-Partei den Tausch Harburgs gegen Cuxhaven. Auch diverse Tunnel nach Wilhelmsburg sind geplant.

Sie fordern die Balkanisierung Deutschlands, Raucherschutz statt Nichtraucherschutz, und sie haben sich die „symbolisch-ästhetische Bedeutung“ von Politik auf die Plakate geschrieben. Insgesamt werden acht neue Parteien bei den Wahlen zur Bürgerschaft und den Bezirksversammlungen in Hamburg am 24.Februar antreten. Dazu zählen Gruppierungen wie die BandeRobusta, die Piratenpartei oder die anarchistische Pogo-Partei.

Grundsätzlich lassen sich drei Typen solcher Kleinparteien unterscheiden, sagte der Hamburger Politikwissenschaftler Prof. Michael Th. Greven WELT ONLINE. Dem sektenhaften Weltanschauungstypus stünden die humoristischen Spaßparteien und die Ein-Themen-Parteien gegenüber. Diese Unterschiede verdeutlichen sich bei den Hamburger Politik-Neulingen vor allem in der Programmatik und der Ernsthaftigkeit ihres Politikverständnisses.

Die Frage nach dem Grund seiner Kandidatur beantwortet der Spitzenkandidat der Pogo-Partei, Vincent Burmeister, kurz und knapp: „Reich werden!“ Weiteres Ziel des anarchistischen Stadtentwicklers ist der Tausch Harburgs gegen Cuxhaven. Außerdem ist der Bau von diversen Tunneln nach Wilhelmsburg geplant. Diese sollen im Anschluss an die Fertigstellung umgehend wieder gesprengt werden, „um den Pöbel zu unterhalten“.

Etwas konstruktiver gibt sich die Piratenpartei. Das zentrale Anliegen ist die Reformierung des Urheber- und Patentrechts, sagt Spitzenkandidat Bernhard Schillo. In Hamburg stünden neben solchen Aspekten dann aber auch noch die Abschaffung von Studiengebühren und Lehrmittelfreiheit im Vordergrund.

Die BandeRobusta hingegen setzt auf einen theoretischen Überbau: Sebastian Hennenberger, Politikstudent aus Hamburg und BandeRobusta-Vorsitzender, betont vor allem die Bedeutung der „Komplexität von Politik“. Der Namenspatron der Partei, eine ausgestorbene neuseeländische Fledermausart, habe weniger eine inhaltliche als eine „symbolisch-ästhetische Bedeutung“. Die BandeRobusta kämpfe vor allem gegen die Vereinfachung von Politik. Ein Beispiel: Es sei wichtiger, kriminelle Jugendliche zu resozialisieren, als Repressionen gegen sie zu verordnen.

Wegen ihrer abstrakten politischen Konzepte und ihrer radikal-skurrilen Forderungen bieten sich wenige Anknüpfungspunkte der Politik-Neulinge zu den etablierten Parteien.

Das finden vor allem die Pogo-Anarchisten unproblematisch. Felix Gerbrod, Wahlkampfmanager der Partei, ist sich der absoluten Mehrheit sicher. Damit erübrigt sich für Gerbrod das Kopfzerbrechen über eine Zusammenarbeit mit einer der „Berliner Blockparteien“. Am ehesten käme allerdings eine Koalition mit „Die Partei“ – Ableger des Satire-Magazins „Titanic“ – in Frage. Diese jedoch hat die absolute Mehrheit ebenfalls bereits fest im Visier. Der „Partei“-Spitzenkandidat ist der Schriftsteller Heinz Strunk, der mit seinem Kultbuch „Fleisch ist mein Gemüse“ einen Bestseller landete. Er sieht das Ziel der absoluten Mehrheit durch eine „hohe Akzeptanz und Schnittmenge bei den Meinungsführern aus dem wirtschaftlichen, kulturellen und politischem Umfeld“ begünstigt.

Arbeitsplätze durch Rückbau der Hafencity

Ob „Die Partei“ allerdings überhaupt bei der Bürgerschaft antreten darf, entscheidet sich erst am 21.Januar. Bis dahin müssen noch die nötigen 1000 Unterschriften für die Kandidatur vorliegen, sagt Landeswahlleiter Willi Beiß. Sollte dieses Vorhaben von Erfolg gekrönt sein, hält „Partei“-Landesvorsitzender Alexander Grupe schon einige Forderungen parat. Arbeitsplätze sollen durch den Wiederaufbau des Bismarck-Bades und dem schrittweisen Rückbau der Hafencity entstehen. Außerdem solle der Raucherschutz in Hamburg vor den Nichtraucherschutz gestellt werden. Nach der Wahl will Spitzenkandidat Strunk dann alle anderen Parteien überflüssig machen.

Auch BandeRobusta-Vorsitzender Hennenberger geht auf Distanz zu den etablierten Parteien. Sicher fände man hier und da inhaltliche Anknüpfungspunkte – aber eben auch viele Unterschiede. Bei fast allen Parteien stünde schließlich Machtpolitik im Vordergrund.

Wenige Berührungsängste mit der hohen Politik hat hingegen Piratenpartei-Spitzenkandidat Schillo. Gemeinsamkeiten mit den Grünen oder der Linken gebe es durchaus. Insgesamt wolle man einfach ein neues politisches Thema etablieren, ähnlich wie weiland die Grünen.

Keinen Grund zu solchem Optimismus dürfte jedoch ein Blick auf vergangene Wahlen liefern. Bis dato scheiterten fast alle Bürgerschaftswahl-Ambitionen kleinerer Parteien in Hamburg. Während „Pogo“-Chef Burmeister und „Partei“-Spitzenkandidat Strunk sich dennoch bereits als neue Bürgermeister wähnen, beurteilen BandeRobusta und Piratenpartei ihre Wahlchancen merklich pessimistischer. Selbst wenn es nicht für den Einzug in den Senat reiche, wolle seine Partei zumindest „gesellschaftliches Bewusstsein für politische Komplexität“ schaffen, sagt BandeRobusta-Vorsitzender Hennenberger.

Die Piratenpartei sieht die Bürgerschaftswahl ohnehin eher als einen Testlauf für die nächsten Bundestags- und Europaparlamentswahlen. Spitzenkandidat Schillo bewertet bereits ein Ergebnis von mehr als 0,5 Prozent als Erfolg.

Für eine Wahlkampfkostenerstattung würde dies freilich nicht reichen. Die gibt es für die Hamburger Parteien erst ab ein Prozent. Für die lockereren Zusammenschlüsse der Wählervereinigungen sogar erst ab 1,5 Prozent Stimmen, so Landeswahlleiter Willi Beiß.

Gleichwohl stellt die Wahlkampfkostenerstattung nur eine von mehreren Möglichkeiten dar, die Parteikassen nach getaner Wahlkampfarbeit neu aufzufüllen. Einige Parteien verfolgen mit dem Wahlkampf kommerzielle Nebenzwecke und PR-Strategien, betont der Politologe Greven. Die Finanzierung der Parteien erfolge ansonsten über ein erhebliches Maß an finanziellem und persönlichem Eigenengagement.

Nicht für alle Parteien ist die Bürgerschaftswahl der erste Anlauf in die hohe Politik. Schon bei der Bundestagswahl 2005 landete die Pogo-Partei mit 1319 Stimmen (0,1 Prozent) in Hamburg unter „ferner liefen“. „Diese Parteien haben keine Chance im realen politischen Prozess“, fasst Prof. Greven zusammen.

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